Blasenprobleme bei MS gehören neben Sehstörungen zu den ersten Anzeichen und Symptomen der Krankheit Multiple Sklerose.
Bei bis zu 80 Prozent der MS-Betroffenen entwickeln sich im Verlauf der Krankheit Störungen mit der Blase, was häufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führt.
Dabei können die Blasenprobleme ganz unterschiedlich sein. Einige der MS-Betroffenen leiden immer mal wieder und andere andauernd unter diesen Störungen. Manche leiden unter einem häufigen und plötzlichen Harndrang, einigen fällt das Wasserlassen schwer und wieder andere verlieren unfreiwillig Urin und leiden unter Inkontinenz.
Für die meisten Betroffenen ist das Thema nach wie vor unangenehm und mit Tabus behaftet. Ihr Schamgefühl hält sie davon ab mit einem Arzt über intime Einzelheiten zu sprechen.
Dabei ist es enorm wichtig die Auswirkungen in den Griff zu bekommen, denn unbehandelte Blasenstörungen bergen das Risiko von Blasenentzündungen, führen zu Schlafstörungen und Schmerzen.
Insbesondere die Inkontinenz beeinträchtigt im erheblichen Maß die Lebensqualität und führt nicht selten in die Isolation und zu Depressionen.
Es gibt viele Experten, die dir bei deinen Problemen zur Seite stehen können und auch du selbst kannst etwas dagegen tun.
Was genau Blasenfunktionsstörungen sind, wie sie behandelt werden können, was dir auf natürliche Weise helfen kann im Alltag besser mit deinen Blasenproblemen zurechtzukommen und wie ich mir mit Hilfe dieser Maßnahmen meine Lebensqualität zurückgeholt habe, darüber schreibe ich in diesem Beitrag.
Was sind die Ursachen für Blasenprobleme bei MS?
Bei der Multiplen Sklerose (MS) ist das Zentrale Nervensystem (ZNS), das Rückenmark und Gehirn umfasst, chronisch erkrankt. Die MS verursacht schubförmige oder kontinuierlich auftretende Entzündungsherde im ZNS, die je nachdem welche Nervenstrukturen geschädigt sind, die unterschiedlichsten Symptome und Beschwerden auslösen können.
Manche MS-Betroffene leiden anfangs nur unter einem einzelnen Symptom. Andere sind bereits vom Ausbruch der Krankheit MS gleichzeitig von mehreren MS-Symptomen betroffen.
Lese im Artikel: „Was ist Multiple Sklerose (MS)? – alles über die Symptome, die Ursachen, den Verlauf und die Diagnose.
Blasenprobleme bei MS – oft ein frühes Symptom
Bei einigen MS-Betroffenen ist die Blase neben den Augen oft das erste Organ, anhand dem die Erkrankung deutlich wird.
Und nach einer Erkrankungsdauer von ca. zehn Jahren leiden die meisten MS-Betroffenen unter den sogenannten neurogenen Blasenfunktionsstörungen.
Bei der Multiplen Sklerose sind besonders die Nervenhüllen betroffen, die mit der Isolierung eines Elektrokabels vergleichbar sind, das die Nervenstränge vor dem umgebenden Gewebe schützt. Diese Isolierungen werden vom Körper fälschlicherweise angegriffen und führen zu Entzündungen und später zu Vernarbungen an den Nervenbahnen.
Mit der Folge, dass die Nervensignale nur verlangsamt oder auch gar nicht mehr weitergeleitet werden und je nachdem wo die Entzündungsherde im Nervensystem sitzen. Liegen diese in den Strukturen, die für die Steuerung der Blasenfunktion verantwortlich sind, kommt es zu einer Störung der Blasenfunktion. Da an den erkrankten Stellen Impulse, die zur Kontrolle der Blase notwendig sind, nicht mehr vollständig oder gar nicht mehr verarbeitet werden.
MS kann Inkontinenz verursachen
Dies führt unter Umständen dazu, dass MS-Betroffene den Harndrang nicht mehr richtig kontrollieren können, bis hin zur Inkontinenz (unwillkürlicher Urinverlust).
Zudem können Blasenfunktionsstörungen Symptome wie Fatigue verstärken und zu wiederholten Blasenentzündungen führen, die MS-Schübe auslösen und Spastik oder andere MS-Symptome verstärken können.
Darm- und Sexualfunktion
Da die Darmfunktion ähnlich wie die Blasenfunktion gesteuert wird, sind Störungen des Darms, wie Durchfall und Verstopfung oder auch der Wechsel zwischen beiden oft parallel zu einer neurogenen Blasenstörung ein weiteres auftretendes Problem, vor allem chronische Verstopfung.
Auch sexuelle Störungen sind bei vielen MS-Betroffenen vorhanden was oft mit Unzufriedenheit in der Beziehung verbunden ist.
Bei Frauen sind die häufigsten Probleme ein mangelndes sexuelles Interesse und eine verminderte Libido, oft verbunden mit Problemen in der Orgasmusfähigkeit.
Männer leiden häufig unter Erektionsstörungen und mangelndem sexuellen Interesse.
Die Auswirkungen von Blasenstörungen auf deinen Alltag und deine Gesundheit
Für Betroffene stellen Blasenprobleme häufig ein großes hygienisches und soziales Problem dar. Dabei stehen die sozialen Probleme oft im Vordergrund. So erscheint beispielsweise ein Konzertbesuch wenig verlockend, weil du Angst davor hast, plötzlich in einer nassen Hose dazusitzen, da du das WC nicht schnell genug aufsuchen konntest.
Oder du bei einem Treffen mit Freunden wieder einmal Aufmerksamkeit erregst, weil du bereits zum x-ten Mal in einer Stunde hektisch zum WC rennst. Es macht auch keinen Spaß, wenn du versuchst, die Trinkmenge möglichst gering zu halten um nicht laufend zum WC rennen zu müssen.
Nicht selten führt das bei Betroffenen bis hin zum gänzlichen Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben und mindert die Lebensqualität.
Auch führt es dazu, dass viele Betroffene unter einem verminderten Selbstwertgefühl leiden und sie ihre Blasenprobleme aus Scham verschweigen.
Ein geringes Selbstwertgefühl geht oft mit Depressionen einher und zählt zu den Nebensymptomen einer Depression.
Doch Blasenstörungen bei MS sind eben keine Seltenheit und du kannst dir sicher sein, dass du mit deiner Blasenfunktionsstörung nicht allein bist. Vielen MS-Betroffenen geht es ähnlich wie dir.
Im diesem Video erzählen drei MS-Betroffene Frauen über ihre leidvollen Erfahrungen mit Inkontinenz und ihre Ängste und Sorgen. Sie teilen mutig ihre Geschichte um anderen MS-Betroffenen Mut zu machen.
Dass es dir nicht leichtfällt über die Blasenprobleme zu sprechen ist vollkommen nachvollziehbar. Aber nur, wenn du deine Scham beiseitelegst und den Mut aufbringst darüber zu sprechen, kann dir geholfen werden.
Deine Blasenprobleme sind behandelbar, wenn du dir helfen lässt und rechtzeitig mit einer Therapie beginnst.
Den meisten Betroffenen kann durch die Behandlung die Rückkehr in das soziale Leben und damit ein Zugewinn an Freiheit, Spontanität und Unabhängigkeit ermöglicht werden.
Es wäre doch jammerschade, wenn du auf die Chance zur Steigerung deiner Lebensqualität verzichtest, oder?
Die gesundheitlichen Aspekte sind nicht zu unterschätzen
Denn eine häufige Begleiterscheinung von Blasenfunktionsstörungen ist das Zurückbleiben von Restharn in der Blase nach dem Toilettengang. Das führt zum einen zu häufigeren Toilettengängen. Was für Betroffene, die ohnehin schon unter häufigem Harndrang leiden sehr lästig ist.
Doch das weitaus größere Problem ist der gesundheitliche Aspekt. Da der verbleibende Restharn der Vermehrung von Bakterien eine ideale Voraussetzung bietet und Blasenentzündungen (Harnwegsinfekte) begünstigt.
Besonders bei MS-Betroffenen, die in ihrer Therapie Medikamente einsetzen, mit denen das Immunsystem abgeschwächt wird (Immunsuppressiva) kann es unter Umständen zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte kommen.
Blasenentzündungen können zu einer Verschlechterung des neurologischen Gesundheitszustandes führen. Nicht immer zeigen sich Harnwegsinfekte durch Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen. Sie führen eher zu einem allgemeinen Unwohlsein, einem noch stärkeren Harndrang und einer Zunahme an Spastik oder Muskelschwäche.
Nicht selten führt das dazu, dass diese Symptome als neuer MS-Schub interpretiert werden. Wobei auch vermutet wird, dass Infekte Auslöser für einen MS-Schub sein können.
Es ist folglich von großer Bedeutung Harnwegsinfekte unbedingt behandeln zu lassen. Um einer Verschlechterung des neurologischen Zustandes und dem Ausbruch eines neuen MS-Schubs vorzubeugen. Aber auch um die Medikation, die bei einem falsch gedeuteten MS-Schub eingesetzt wird, zu vermeiden.

Welche Arten von Blasenfunktionsstörungen gibt es?
Bis zu 80 % der MS-Betroffenen leiden unter Störungen der Blasenfunktion.1
Da Blasenstörungen bei Menschen mit MS auf eine neurologische Ursache, nämlich die Erkrankung des Nervensystems, zurückzuführen sind, wird von neurogenen Blasenstörungen gesprochen.
Von einer „neurogenen Blase“ sind neben MS-Betroffenen auch Menschen mit einer angeborenen oder unfallbedingten Querschnittslähmung oder anderen neurologischen Erkrankungen betroffen.
Neurogene Blasenfunktionsstörungen werden durch eine Fehlfunktion oder die Verletzung des Nervensystems verursacht. Die auftretende Symptomatik und das Ausmaß der Störung ist davon abhängig, wo die neurologische Störung (der Entzündungsherd) lokalisiert wird. Im Gehirn, im Rückenmark oder in den peripheren Nerven. Die Störung mehrerer Systeme ist bei MS relativ typisch.
Die Mediziner unterteilen die neurogenen Blasenstörungen in 3 Typen:
Die überaktive (spastische) Blase = Detrusor-Hyperaktivität
Hier arbeitet der Blasenmuskel nahezu unermüdlich. Er zieht sich bereits bei geringen Urin-Füllmengen, körperlicher Aktivität und auch psychischer Anspannung zusammen und meldet einen Harndrang. Der vom Betroffenen jedoch nur wahrgenommen werden kann, wenn nicht auch gleichzeitig eine Sensibilitätsstörung vorliegt.
Der Harndrang kann nicht länger unterdrückt werden und ein schnellstmögliches Aufsuchen der Toilette ist erforderlich. Wird das WC nicht zeitig erreicht oder wird der Harndrang aufgrund der Sensibilitätsstörung gar nicht erst wahrgenommen, kann es zu einem unkontrollierten Harnverlust kommen.
Neben dem sehr plötzlich auftretenden, starken Urindrang kann auch eine deutlich erhöhte Anzahl der Toilettengänge ein Kennzeichen der überaktiven Blase sein. Es wird manchmal auch von einer spastischen oder motorisch enthemmten Blase gesprochen.
Diese Blasenfunktionsstörung tritt vor allem zu Beginn der MS bzw. in den ersten Jahren der Erkrankung sehr häufig auf.
Die möglichen Symptome
Nicht zu unterdrückender Harndrang, sehr häufige Toilettenbesuche, möglicherweise nur geringe Entleerungsmenge.
Die schlaffe Blase = Detrusor-Hyporeflexie
Arbeitet der Blasenmuskel zu wenig oder gar nicht, liegt eine schlaffe Blase vor. Mitunter kommt erschwerend hinzu, dass die Betroffenen trotz einer hohen Urin-Füllmenge in der Blase keinen Harndrang verspüren.
Bei einem Gang zur Toilette entleeren sich dann oftmals mehr als 500 ml aus der Blase. Derartig hohe Füllmengen führen zu Überdehnungsschäden an der Blasenwand.
Diese können längerfristig zu einem Rückfluss des Urins in die Nieren führen und dort erhebliche Komplikationen verursachen. Eine ungenügende Blasenkontraktion führt häufig zur unvollständigen Entleerung und es verbleibt Restharn in der Blase.
Wenn du bemerkst, dass deine Blase proppenvoll ist, du aber keinen Urinfluss einleiten kannst, besteht umgehender Handlungsbedarf, denn es handelt sich um einen Harnverhalt, der einen urologischen Notfall darstellt. Begebe dich in diesem Fall schnellstmöglich in Behandlung in einer urologischen Praxis oder in die Notaufnahme einer Klinik.
Die möglichen Symptome
Tröpfchenweiser Harnverlust, Restharn, möglicherweise Harnverhalt, ggfs. ohne Wahrnehmung der Blasenfüllung.
Blasen- und Schließmuskel im Ungleichgewicht = Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD)
Ist die Zusammenarbeit zwischen dem austreibenden Blasenmuskel und den Schließmuskeln in deren Funktion als Verschlussventil unkoordiniert, sprechen die Mediziner von der Detrusor-Sphinkter Dyssynergie (DSD).
Diese Störung tritt bei MS oft in Kombination mit einer überaktiven Blase auf.
Bei der Entleerung einer gesunden Blase entspannt sich zuerst der Schließmuskel und dann zieht sich der Blasenmuskel zusammen.
Wenn diese Muskeln jedoch nicht aufeinander abgestimmt arbeiten, sondern unkoordiniert, muss die Blase sich gegen einen erhöhten Auslasswiderstand entleeren, weil sich beispielsweise der Schließmuskel unvollständig oder gar nicht öffnet, wenn der Blasenmuskel sich zusammenzieht. Deshalb fließt der Harn dann mit kleineren Unterbrechungen und es kann auch Restharn in der Blase zurückbleiben.
Diese Störung ist zusammen mit der Beckenbodenspastik die häufigste Ursache für Restharnbildung bei MS.
Wird diese Störung nicht behandelt, ist ein erhöhter Blasendruck die Folge mit möglichen langfristigen Schäden von Blase und Niere.
Die möglichen Symptome
Starthemmungen beim Wasserlassen, Unterbrechungen im Harnstrahl.2
Bis zu 80 Prozent der MS-Betroffenen sind im Verlauf der Erkrankung von der spastischen Blase und der DSD mit vermehrtem Harndrang betroffen. 10 bis 15 Prozent sind von der schlaffen Blase betroffen.3

Kombination mehrerer Typen
Bei vielen Betroffenen liegt eine Kombination der verschiedenen Typen vor, da sich die Symptome oft nicht klar abgrenzen lassen. So, wie sich die MS bei jedem Betroffenen anders auswirkt und verläuft, beeinträchtigt die MS auch die Blase unterschiedlich.
Die Symptome können in anderen Ausmaßen, Kombinationen und Zeiträumen auftreten sowie die Fähigkeit der Harnentleerung einschränken, zur Restharnspeicherung führen oder beides kombiniert.
Im Video „Multiple Sklerose und die Blase“ gibt der DMSG-Reporter Kevin Hoffmann in einer Serie hilfreiche Informationen über seine beruflichen Erfahrungen mit Kontinenz und Inkontinenz. In diesem ersten Teil geht es um mögliche Auswirkungen der MS auf die Blase.
Wie werden Blasenfunktionsstörungen festgestellt?
Auch, wenn es dich verständlicherweise Überwindung kostet, wirst du es sicher nicht bereuen, wenn du deine Scham überwindest und mit deinem Arzt über deine Blasenprobleme sprichst.
Du wirst feststellen, dass du auf lange Sicht mehr gewinnen kannst, als du dir im Moment vielleicht vorstellen kannst.
Wer ist der richtige Ansprechpartner?
Für sämtliche Beschwerden und Fragen rund um die Blase ist grundsätzlich der Urologe zuständig.
Da die Blasenprobleme bei MS-Betroffenen jedoch auf eine neurologische Grunderkrankung zurückzuführen sind, sollte sich dein behandelnder Urologe auch mit dem Fachgebiet der Neuro-Urologie auskennen oder zumindest Erfahrung in der Behandlung von MS-Patienten haben.
Doch die Suche nach Neuro-Urologen gestaltet sich schwierig. Einzig spezielle Kontinenz-Zentren habe ich bei der Suche im WWW gefunden. Vielleicht kann dein behandelnder Neurologe dir geeignete Urologen in deiner Nähe nennen.
Eine Liste von speziellen Kontinenz- und Beckenboden-Zentren in deiner Nähe findest du auf der Webseite der Deutsche Kontinenz Gesellschaft.
Wichtig ist auch, dass eine Kommunikation und Information der behandelnden Ärzte untereinander stattfindet.
Denn das ist eine wesentliche Voraussetzung für eine bestmögliche Therapie deiner MS-Symptome.
Wie erfolgt die Diagnose?
Nach einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) erfolgt eine körperliche Untersuchung, eine Urinuntersuchung, eine Sonografie von Nieren und Blase sowie eine Harnstrahlmessung (Uroflowmetrie). Ob weitere Untersuchungen notwendig sind, ergibt sich aus den Ergebnissen dieser Basisabklärung.
Eine Blasenfunktionsmessung (Video-Urodynamik) kann sich anschließen. Zudem kann die Nierenfunktion mittels Blut- und Urinuntersuchungen oder durch eine Nierenfunktionsuntersuchung bestimmt werden.
Mit einer Blasenspiegelung (Zystoskopie) kann das Innere der Harnröhre und der Harnblase inspiziert werden. So können Narben, Steine, Entzündungsherde, Tumore und andere krankhafte Veränderungen erkannt werden.
Mit Hilfe eines Fragebogens kannst du dich gut auf das Anamnesegespräch beim Urologen vorbereiten. Auf www.häufigerharndrang.de/Downloads kannst du dir diesen als PDF-Datei herunterladen.
Wie werden Blasenprobleme bei MS behandelt?
Zur Behandlung der neurogenen Blasenfunktionsstörungen stehen medikamentöse, nicht-medikamentöse und operative Therapien zur Verfügung.
Das Ziel der Therapie bei Blasenfunktionsstörungen liegt in
- der Verbesserung der Speicherfunktion der Blase mit einer möglichst vollständigen Entleerung,
- der Normalisierung des Harndrangs,
- der Wiederherstellung der Kontinenz (die Harnentleerung willkürlich zu kontrollieren),
- der Vermeidung von Komplikationen wie wiederkehrende Harnwegsinfekte, Schädigungen der oberen Harnwege, Nierensteinbildung und eingeschränkte Nierenfunktion sowie
- die Verbesserung der Lebensqualität.
Wissenswertes: Durch häufigen nächtlichen Harndrang können Blasenfunktionsstörungen auch zu einer deutlichen Zunahme einer eventuell vorhandenen Fatigue führen. Zudem können Blasenentzündungen MS-Schübe auslösen und Spastik sowie andere MS-Symptome verstärken.
Medikamentöse Therapie
Je nachdem, welche Art der Funktionsstörung vorliegt, kommen unterschiedliche Wirkstoffe zum Einsatz, wie:
- Antibiotika bei Harnwegsinfekten,
- Alphablocker,
- Hormone oder
- Anticholinergika bei anderen Funktionsstörungen.
Wie bei allen Arzneimitteln können auch bei diesen Nebenwirkungen auftreten. Wie beispielsweise Mundtrockenheit, verschwommenes Sehen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Verstopfung, Müdigkeit und andere.
Es ist auch möglich, die Blasenfunktion mit invasiven Therapie-Methoden zu unterstützen. Hierzu zählen:
- die Injektionsbehandlung der Blase mit Botox,
- die sakrale Neuromudulation. Eine Art Blasenschrittmacher, der die Blasenfunktion steuert und
- die intermittierende Selbstkatheterisierung (ISK). Dabei führen sich die Betroffenen täglich selbst einen Katheter durch die Harnröhre in die Blase ein um die Blase vollständig zu entleeren.
Im Video „MS und die Blase – Teil 2: Einmalkatheter“ gibt dir der DMSG Reporter Kevin Hoffmann spezielle Informationen zum Einmalkatheter.
Er will MS-Betroffenen die Angst nehmen über dieses Thema zu reden und lädt zum Erfahrungsaustausch ein. Auch berichtet er darüber, dass die Krankenkassen die Einmalkatheter bezahlen, was dir zusteht und auch, wie du dir kostenlose Muster anfordern kannst, wenn bei dir die Nutzung erforderlich ist.
Nicht-medikamentöse (symptomatische) Therapie
Hierzu zählen:
- das Beckenbodentraining, dass du auch bei der Physiotherapie für MS (KG-ZNS) mit deinem Therapeuten üben kannst,
- die Elektrostimulation,
- EMG-Biofeedback und
- die urologische REHA mit urologischer Diagnostik und Behandlung.

Was du selbst bei Blasenproblemen tun kannst
Du selbst kannst dazu beitragen deine Blasenprobleme günstig zu beeinflussen. Mit einfachen Methoden kann es dir gelingen, dass du damit im Alltag besser zurechtkommst und du dich in deinem Körper wieder wohl fühlst.
Nachfolgend meine 7 Tipps, die dir dabei helfen können.
Tipp 1: Trinken, trinken, trinken
Ausreichend und über den Tag verteilt trinken. Denn bei neurogenen Blasenstörungen ist es wichtig die Blase gut zu spülen. Um Blasenentzündungen zu vermeiden, solltest du circa zwei Liter Flüssigkeit, bevorzugt Wasser und ungesüßten Tee, trinken.
Zu viel koffeinhaltige Getränke und Alkohol können dazu führen, dass du häufiger und dringender müssen musst.
Tipp 2: Regelmäßige Toilettengänge planen
Vermeide es den Harndrang zu unterdrücken. Plane regelmäßige Toilettengänge ein und gehe vorbeugend zur Toilette, auch dann, wenn du gerade nicht müssen musst.
Entleere deine Blase ganz bewusst vor längeren Bus-, Zug- oder Autofahrten, wichtigen Terminen, Besprechungen, dem Kinobesuch und vor dem Zubettgehen.
Versuche dabei deine Blase vollständig zu entleeren und lasse dir dabei genügend Zeit. Das entspannt nicht nur deine Blase, sondern auch dich.
Tipp 3: Führe ein Miktions-Tagebuch
Notiere dir deine Trink- und Urinmenge in einem Miktions-Tagebuch (Miktion = Wasserlassen) um den Überblick zu behalten. Das hilft auch dem Urologen bei der Diagnose und während der Behandlung von Blasenfunktionsstörungen.
Ein Blasentagebuch mit Anleitung kannst du dir hier als PDF-Datei herunterladen.
Tipp 4: Beckenbodentraining
Beckenbodentraining kann dir bei regelmäßiger Durchführung dabei helfen deine Beckenbodenmuskulatur zu stärken und zu straffen. Durch tägliche Übungen, die du auch mit Hilfe von Physiotherapeuten erlernen kannst, kann es in den meisten Fällen gelingen eine spürbare Verbesserung deiner Blasenprobleme und damit der Verbesserung deiner Lebensqualität zu erreichen.
Wenn dir dein Arzt bislang noch keine Verordnung für KG-ZNS, der Physiotherapie bei MS verschrieben hat, findest du im Artikel „KG-ZNS – Physiotherapie bei MS“ hilfreiche Tipps meines Physiotherapeuten Stephan Pohl.
In einer im Jahr 2019 veröffentlichten Studie stellten brasilianische Wissenschaftler fest, welchen Effekt Beckenbodentraining mit und ohne vaginale Elektrotherapie bei Frauen mit einer moderaten MS hat. Dabei untersuchten sie, welchen Effekt das Training auf eine überaktive Blase und die Stärke des Beckenbodens sowie die Lebensqualität der Frauen hatte.
Dabei zeigte die Auswertung der Trainingsergebnisse, dass beide Programme (mit und ohne Elektrostimulation) den Teilnehmerinnen Vorteile hinsichtlich der Blasenprobleme und der Lebensqualität brachte.
Bei der zusätzlich eingesetzten vaginalen Elektrotherapie wurde die Verbesserung der Beckenbodenmuskulatur und der Lebensqualität noch verstärkt.4
Wenn du weitere Informationen über den Beckenboden bekommen möchtest und wissen möchtest, welche Übungen für das Training geeignet sind, empfehle ich dir das Buch „Beckenbodentraining für Frauen: dein Beckenbodenratgeber mit allem was du wissen musst, Übungen, Videos + eigenem Workout-Planer“ * von Petra Moensch.
Möchtest du allein aktiv werden und deine Beckenbodenmuskulatur mit einem Übungsgerät zu stärken um deine Blasenkontrolle zu verbessern, empfehle ich dir das „Perifit – Kegel-Übungsgerät mit App“ * mit dem du spielerisch deinen Beckenboden trainieren und stärken kannst. Hin zu einem selbstbestimmten Leben trotz überaktiver Blase.
Bei diesem Übungsgerät handelt es sich um ein medizinisches Gerät, auch wenn es aussieht wie ein buntes Liebesspielzeug. Es wurde gemeinsam mit Beckenbodenspezialisten und Physiotherapeuten entwickelt und wird von Ärzten empfohlen.
Tipp 5: Cannabis (CBD) – kann überaktive Blase günstig beeinflussen
In einer offenen Pilotstudie wurde festgestellt, dass die Behandlung von Blasenfunktionsstörungen bei fortgeschrittener MS mit Cannabis Sativa nicht nur Schmerzen, Spastizität und Schlafqualität, sondern auch eine überaktive Blase günstig beeinflussen kann.
Es gab nur wenige störende Nebenwirkungen, was darauf hindeutet, dass medizinische Extrakte auf Cannabisbasis eine sichere und wirksame Behandlungsmöglichkeit für Harnwegs- und andere Probleme bei MS-Patienten sind.5
Wie du deine MS-Therapie mit Hilfe von CBD unterstützen kannst und welche Erfahrungen ich mit CBD-Kapseln und dem medizinischen Präparat Sativex® gemacht habe, kannst du im Artikel „CBD-Kapseln und CBD-ÖL bei MS“ lesen.
Tipp 6: Hilfsmittel geben Sicherheit
Das Angebot an Hilfsmitteln ist groß. Nutze im Bedarfsfall Hilfsmittel wie spezielle Slips, Einlagen, Tampons und Männer Urinalkondome, denn diese geben dir Sicherheit im Alltag und reduzieren Stress.
Sie können dir dabei helfen wieder normal am Leben teilzunehmen und wieder Sport, wie beispielsweise Schwimmen und Aquasport auszuführen.
Denn Sport und Bewegung sind ein wesentlicher Therapiebaustein, durch die MS-Symptome wie Depressionen, Fatigue, Gleichgewichtsstörungen, Kognition, Koordinationsprobleme, Spastik und auch Blasenprobleme gelindert werden können.
Tipp 7: Natürliche Hilfe bei Blasenentzündungen
Harnwegsinfektionen können bei MS-Betroffenen gehäuft auftreten. Risikofaktoren stellen Restharn, eine nicht ausreichend behandelte Blasenspastik und der Katheterismus dar.
Die Behandlung eines akuten Harnweginfekts hängt von dessen Stärke ab. Bei schweren, fieberhaften oder immer wiederkehrenden Infekten erfolgt die Behandlung mit Medikamenten.
Infekte ohne Fieber und mit nur wenig Beschwerden können mit einer erhöhten Trinkmenge (> 1,5 Liter/Tag) behandelt werden. Zudem sollte das Bakterienwachstum in der Blase gehemmt werden.
Bakterienwachstum in der Blase hemmen
Preiselbeer- und Cranberrysaft oder -tabletten stellen hierbei eine Therapiemöglichkeit dar und können eine wirksame Unterstützung bei der Ansäuerung des Urins sein.
Auch basische Sitz-, Fuß- oder Vollbäder können dir helfen. Damit werden Säuren und Schlacken über die Haut abgebaut und einer Übersäuerung entgegengewirkt.
So kannst du den Säure- und Basen-Haushalt deines Körpers wieder ins Gleichgewicht bringen. Hier empfehle ich dir das Basenbad von Aloha Sana. Die beste Wirkung erzielst du mit einem 30 bis 45-minütigen Vollbad, bei dem du dich richtig schön entspannen kannst und nebenbei ein rundum neues Körpergefühl mit weicher Haut erleben wirst.
Meine Erfahrungen mit Blasenproblemen bei MS
Auch mir fällt es nicht leicht mich zu outen und einzugestehen, dass ich unter Blasenproblemen leide. Deshalb habe ich es auch lange hinausgeschoben diesen Artikel zu schreiben.
Doch aufgrund der Tatsache, dass ich darum weiß, wie unangenehm und belastend dieses MS-Symptom ist und, dass sehr viele MS-Betroffene darunter unnötig leiden, weil sie sich schämen darüber zu sprechen und etwas zu unternehmen um dieses Symptom in den Griff zu bekommen, habe ich mich jetzt doch getraut. 🙂
Und mal ehrlich, wenn uns im Vorabend-Programm ständig Werbung über Blasenprobleme, Scheidentrockenheit und Erektionsprobleme präsentiert wird, sollte uns bewusstwerden, wie viele Menschen unter diesen Problemen leiden und dass es langsam an der Zeit ist, diese Tabu-Themen zu brechen. Oder?
Meine Blasen-Symptome
Ich hatte das Gefühl ständig müssen zu müssen. Doch dann flossen nur wenige Tropfen Urin und ich verließ das WC um nur wenige Minuten später wieder hektisch zum Klo zu rennen. So ging das unentwegt und meine Blase verkrampfte sich völlig und schmerzte.
Dann wieder gab es Situationen in denen ich dachte es läuft immer weiter und ich habe bestimmt einen Liter Pipi gemacht.
Von unangenehmen Situationen, weil ich das Klo nicht schnell genug erreicht habe, könnte ich ein Buch schreiben. Ohne Slipeinlagen verließ ich das Haus nicht. Da ich Angst hatte, dass diese einmal nicht ausreichen könnten, führte es letztlich dazu, dass ich immer Ersatz-Kleidung mitnahm. Kannte ich diese Problematik doch zu genau von meiner Mutter, die unter Inkontinenz litt.
Was mir geholfen hat meine Blasenprobleme zu beheben
Nachdem ich meine Scham überwunden hatte und mit meiner Hausärztin über meine Blasenprobleme gesprochen hatte, suchte ich, nach mehrmonatiger Wartezeit, einen Urologen auf.
Leider wusste ich zu diesem Zeitpunkt (Herbst 2019) noch nicht, was ich heute weiß. Denn dieser Urologe hatte keine Erfahrungen mit MS-Betroffenen.
Er war insgesamt sehr kurz angebunden und schlug mir keinerlei weitere Untersuchungen zur Abklärung der Ursache oder Sicherung einer Diagnose vor, sondern verordnete mir nach einem sehr kurzen Gespräch – ohne Basisabklärung – ein Medikament zur Behandlung bei Beschwerden einer überaktiven Blase, dass mir vielleicht helfen könne.
Immerhin wies er mich direkt auf die möglichen Nebenwirkungen des Medikaments hin. Und dann fragte er mich, ob ich es denn schon einmal mit Beckenbodentraining versucht hätte.
Das war meine Rettung
Die Tabletten hatten wirklich üble Nebenwirkungen, weshalb ich dieses Medikament absetzte. Zudem ich auch keine Linderung verspürte und eher das Gefühl hatte, mein häufiger Harndrang verstärke sich noch.
Doch das Thema Beckenbodentraining ließ mich nicht mehr los. Ich recherchierte ausgiebig und fand im Mai 2020 das oben empfohlene Buch. Mit dem es mir gelang ein für mich stimmiges Trainingsprogramm zu erstellen und durchzuführen.
Es kostete viel Entschlossenheit und Durchhaltevermögen die Übungen täglich auszuführen. Hin und wieder verlor ich die Motivation und schluderte mit dem Training.
Da ich während meiner Recherchen auch auf das bereits oben empfohlene „Perifit – Übungsgerät mit App“ * aufmerksam wurde, habe ich es ausprobiert. Es ist ein Medizingerät und trägt das CE-Zeichen.
Es wurde gemeinsam mit Physiotherapeuten und Beckenbodenspezialisten entwickelt und wird von Ärzten empfohlen.
Damit gelang es mir das Training wieder täglich auszuführen und ich habe es tatsächlich geschafft meinen Beckenboden spielerisch zu stärken und meine Blasenprobleme in den Griff zu bekommen.
Slipeinlagen brauche ich jetzt nicht mehr! Und Ersatz-Kleidung nehme ich jetzt auch nicht mehr mit. Ein sehr gutes Gefühl! Mein Training hat sich gelohnt. 🙂
Ich bin dankbar, dass sich meine Blasenprobleme noch nicht zur Inkontinenz ausgebildet hatten. Auch wenn ich dieses leidvolle Problem über viele Jahre bei meiner Mutter miterleben musste, kann ich nicht beurteilen, ob dir die oben aufgeführten Tipps bei bestehender Inkontinenz genauso effizient helfen können.
Doch einen Versuch ist es sicher wert, oder?
Zusätzlich zum Beckenbodentraining habe ich es mir angewöhnt zur Toilette zu gehen, selbst wenn ich nicht muss. Dabei nehme ich mir bewusst Zeit und schaffe es jetzt meine Blase vollständig zu entleeren. Auf diese Weise ist es mir gelungen nicht mehr ständig und hektisch zum WC rennen zu müssen. Den Stress den, meine Blasenprobleme bei mir tagtäglich verursachten, konnte ich damit eliminieren.
Durch die CBD-Kapseln, die ich täglich einnehme, ist nicht nur meine Blase entspannt. Sie helfen mir auch gegen Schmerzen und haben meine Schlafqualität deutlich verbessert.
Fazit
Du bist mit deinen Blasenproblemen nicht allein und in der heutigen Zeit ist es möglich darüber ohne Scham zu sprechen und so Hilfe, die auf vielfältige Weise möglich ist, zu erhalten.
Durch eine entsprechende Behandlung und durch deinen eigenen, aktiven Umgang mit diesen Problemen, lassen sich Blasenprobleme positiv beeinflussen.
Die Behandlung von Blasenproblemen ist ein wichtiger Schritt für einen Zugewinn an Freiheit, Spontanität und Unabhängigkeit. Kurz: Mehr Lebensqualität.
Ich hoffe, du konntest aus diesem Artikel einige Inspirationen für dich mitnehmen, die dir dabei helfen deine Blasenprobleme zu lindern oder dazu beitragen, dass du deine Scham überwindest, falls du es bislang nicht geschafft hast, um dir deine Lebensqualität zurückzuholen.
Schreib mir gerne in die Kommentare oder per E-Mail: Wie das bei dir ist.
Leidest du unter Blasenproblemen? Was stört dich am meisten?
Was hilft dir im Alltag besser damit zurechtzukommen?
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Quellen
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19361680/, letzter Aufruf 19.06.2022
- www.hollister.de/-/media/files/pdfs-for-download/de/ratgeber-blasensymptome-bei-ms_li9970.ashx, letzter Aufruf 19.06.2022
- www.amsel.de/multiple-sklerose/behandeln/die-symptomatische-therapie-der-ms/blasenfunktionsstoerungen/, letzter Aufruf 20.06.2022
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30932917/, letzter Abruf 21.06.2022
- pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15327041/, letzter Aufruf 21.06.2022
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